Was ist Lüsternheit?

Warum sagen wir im Ersten Schritt, wir sind machtlos gegenüber der Lüsternheit anstelle von Sex? Ist es nicht eine Form von Sex, nach der wir süchtig sind? Ja, antworten wir. Aber unser Problem ist nicht einfach Sex, genau wie beim Esssüchtigen das Problem nicht einfach Essen ist. Essen und Sex sind natürliche Funktionen. Das wirkliche Problem bei diesen beiden Süchten scheint das zu sein, was wir Lüsternheit nennen – eine Haltung, die verlangt, dass ein natürlicher Instinkt unnatürlichem Verlangen dient.

Wenn wir versuchen, Essen oder Sex zu benutzen, um Isolation, Einsamkeit, Unsicherheit, Angst und Spannung zu verringern oder um unsere Gefühle zuzudecken, damit wir uns lebendig fühlen, wenn es uns hilft, zu fliehen oder unseren Hunger nach Gott zu stillen, dann schaffen wir einen unnatürlichen Appetit, der den natürlichen Instinkt missbraucht und verletzt. Dieser Appetit ist nicht nur intensiver als der natürliche, sondern er wird zu etwas ganz anderem. Essen und Sex bekommen eine andere Dimension. Sie besitzen jetzt einen unnatürlichen spirituellen Anteil.

Sucht ist also, lüstern zu sein, und nicht bloß der Stoff oder die körperliche Handlung. Lüsternheit – die Haltung selbst – wird zum kontrollierenden Faktor in der Sucht. Gerade deshalb zeigen Menschen die Lüsternheit in mehr als einem Bereich. Häufig entdecken die unter uns, die nach stofflichen Drogen oder nach Verhaltensweisen süchtig sind, dass wir auch nach negativen Einstellungen und Gefühlen süchtig sind.

„Ich erinnere mich, als ich von Lüsternheit, Alkohol und Beruhigungstabletten weg kam, brach in mir Groll auf wie ein aufgestauter Vulkan. Ich erinnere mich, wie ich dachte: Lüsternheit zu beherrschen entspricht dem Versuch, einen Wackelpudding zu beherrschen; du drückst hier herein, und er quillt dort heraus. Oder dem Versuch, eine Wühlmaus zu vernichten; du stopfst einen Gang zu, nur damit das Biest in einem anderen an die Arbeit geht.“

Vielleicht reagieren Menschen nicht allergisch auf Essen und Sexualität in dem Sinne, wie Alkoholiker sagen, dass sie gegen Alkohol „allergisch“ sind. Aber wir sind „allergisch“ geworden, lüstern nach Essen oder Sexualität zu gieren. Indem wir die natürliche Sexualität immer wieder und wieder für ein unnatürliches Ziel missbrauchen, werden wir immer empfindlicher gegenüber unterschiedlichen Auslösern, bis ein bloßer Blick oder Gedanke das zwanghafte Verhalten auslöst. Für den Sexsüchtigen ist Lüsternheit Gift. Deshalb ist bei der Genesung das eigentliche Problem spirituell und nicht nur körperlich. Deshalb ist die Änderung der Einstellung so entscheidend.